
Plattform justitia.swiss
Im Jahr 2024 konnte im Projekt Plattform justitia.swiss ein entscheidender Meilenstein erreicht werden. Die Grundversion der Plattform, das Minimal Viable Product (MVP), wurde zusammen mit den Partnern Zühlke Engineering AG (Entwicklung) und ELCA Informatik AG (Betrieb) erfolgreich implementiert, getestet und durch den Projekt- und Steuerungsausschuss für den Betrieb freigegeben. Dieses Go-Live im April 2024 markierte den offiziellen Startschuss des Betriebs der Plattform. Diese steht jetzt bereit für den Pilotbetrieb mit Gerichten, Staatsanwaltschaften und der Anwaltschaft.
Die Plattform justitia.swiss stellt die wesentlichen Funktionen für den elektronischen Rechtsverkehr (ERV) bereit. Über das Web-Interface können Nutzerinnen und Nutzer auf die Plattform zugreifen. Zudem wurde eine Schnittstelle (öffentliches Application-Programming-Interface (API) für die Integration von Fachanwendungen erarbeitet. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Sicherheitsarchitektur, die durch folgende Massnahmen umgesetzt wurde:
- Umfangreiches Verschlüsselungskonzept mit eigenem Schlüssel pro Dossier
- gesiegelte Dokumentenübertragungen
- Virenprüfung aller hochgeladenen Dokumente
Um höchste Sicherheitsstandards zu gewährleisten, wurden umfassende Audits, Red-Teaming-Tests und Penetrati-onstests durchgeführt. Das Plattform-Team setzte die Empfehlungen aufgrund der Tests um, wodurch die Sicherheit weiter optimiert werden konnte.
Go-Live und erster Pilot
Mit dem Betriebsstart wurde auch der erste Pilotkunde, die Staatsanwaltschaft Freiburg, erfolgreich an die Plattform angebunden. Dies, nachdem Prozesse und technische Implementierungen fristgerecht umgesetzt werden konnten. Beim Piloten werden Strafanzeigen durch den öffentlichen Verkehr Freiburg automatisiert mittels strukturierter Datenformate an die Staatsanwaltschaft Freiburg übermittelt. Die erfolgreiche Einführung war das Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit aller Beteiligten und der engagierten Unterstützung durch HIS.
Das Projekt begleitete und unterstützte folgende Kantone und Justizbehörden bei den Vorbereitungen ihrer Pilotierungen:
- Freiburg: Austausch von forensischen Daten und Beweismitteln über API und Web-Interface zwischen der Staatsanwaltschaft und Gerichten
- Genf erstinstanzliches Zivilgericht: Rechtsverkehr zwischen drei Kammern und Anwälten via Web-Interface und später API mit eigener Fachapplikation; dieser Pilot läuft seit November 2024
- Basel-Landschaft: Rechtsverkehr zwischen Zwangsmassnahmengericht und Staatsanwaltschaft mit Web-Interface und später Fachapplikationen
- Basel-Stadt: Staatsanwaltschaft und Strafgericht, Proof-of-Concept (PoC) für die dezentrale Datenverwaltung
- Luzern: Rechtsverkehr zwischen Staatsanwaltschaft und dem Zwangsmassnahmengericht bzw. dem ÖV-Luzern mit strukturierten Daten (Massenverfahren)
- Waadt: Rechtsverkehr zwischen der Kreis-Staatsanwaltschaft und dem Strafgericht Vevey mit eigener Fach-applikation über API
- Verwaltungsgericht Zürich: mit Vorinstanzen (Instanzenzug) und Anwältinnen und Anwälten via Web-Interface (ab 1.1.2026 DigiLex)

«Die Digitalisierung ist für uns ein zentrales Thema. Wir möchten hier eine Vorreiterrolle einnehmen und auch genügend Zeit haben, um uns einzuarbeiten und vorzubereiten. Die Pilotierung ist für uns entsprechend ein wichtiger Schritt, um unsere Arbeitsabläufe schrittweise zu ändern und die neuen Abläufe zu testen.»
Hybride Phase: Herausforderungen und Fortschritte
Mit dem Go-Live trat das Projekt Plattform justitia.swiss in eine hybride Phase: auf der einen Seite läuft der Pilotbetrieb mit produktiven Daten, auf der anderen Seite wird die Plattform mit der bewährten Unterstützung der Partner Zühlke und ELCA agil weiterentwickelt.
Die zweite Jahreshälfte war geprägt von bedeutenden Projektschritten und Weiterentwicklungen, die sowohl den produktiven Betrieb als auch die Weiterentwicklung der Plattform voranbrachten.
Zu den zentralen Fortschritten zählen unter anderem:
- Unterstützung von unterschiedlichen Dateiformaten sowie von grossen Dateien: Dies ermöglicht eine flexible Nutzung der Plattform aufgrund der heterogenen Bedürfnisse von Justizbehörden und Nutzenden.
- Innovative Konzepte für Beweismittel: In Zusammenarbeit mit forensischen Instituten wurden dezentrale Datei- und Containerlösungen entwickelt, die eine sichere und effiziente Datenverwaltung sicherstellen.
- API-Integration: Mithilfe offener Standards und einer ausführlichen Dokumentation wurden die Grundlagen für einen nahtlosen Datenaustausch zwischen der Plattform und Fachanwendungen geschaffen.
- Sicherheitsmassnahmen: Die Plattform- und Betriebsprozesse wurden mehrfach auditiert und Belastungstests unterzogen, um Schwachstellen zu identifizieren und gezielt zu beheben.
- Datenschutz und Zusammenarbeit: In enger Abstimmung mit kantonalen Datenschutzbeauftragten wurden strenge Nutzungs- und Datenschutzrichtlinien etabliert. Gleichzeitig wurden Vereinbarungen zur Zusammenarbeit mit Pilotpartnerinnen und -partnern geschlossen.
- Trainingsumgebung: Seit September steht allen Interessierten die Möglichkeit offen, die Plattform justitia.swiss in der Trainingsumgebung zu testen.
- Veröffentlichung des Plattform-Codes: Diese Massnahme stärkt Transparenz und Vertrauen und bietet eine solide Grundlage für zukünftige Erweiterungen.
Die neue Phase verlangte auch eine Neuformung des Projektteams, insbesondere mit Personen, welche für den Betrieb der Plattform zuständig sind. Der Wissenstransfer und die Einarbeitung des neuen Teams verlangten einige Anstrengungen, boten jedoch die Chance, neue Perspektiven und frischen Schwung in das Projekt einzubringen.
Nächste Schritte
Das Jahr 2025 wird entscheidend für den weiteren Erfolg der Plattform sein. Im Fokus stehen die Ausweitung der Pilotierungen auf zusätzliche Behörden und die Einbeziehung von Massenverfahren. Hierbei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der weiteren Optimierung der API-Schnittstellen, um sowohl Behördenlösungen als auch Fachanwendungen der Anwaltschaft noch effizienter einzubinden. Zusammen mit den Kundenberatenden werden die Pilotierungen über die Pilotprojekte eng begleitet und aktiv unterstützt. Zusätzliche Bedürfnisse und Anforderungen werden mit unseren Partnerinnen und Partnern agil umgesetzt und schrittweise eingeführt.
Ein zentraler Aspekt wird zudem die Integration der eJustizakte-Applikation in die End-to-End-Pilotierung sein, um den digitalen Workflow vollständig zu realisieren. Gleichzeitig bereitet sich das Projektteam intensiv auf das Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) vor. Voraussichtlich Mitte 2026 müssen Justizbehörden in der Lage sein, digitale Eingaben über die Plattform justitia.swiss empfangen zu können. Bereits am 1. Januar 2026 wird im Kanton Zürich DigiLex in Kraft treten. Verwaltungsverfahren müssen dann digital abgewickelt werden. Dies wird die digitale Kommunikation über die Plattform vorantreiben.
Die Optimierung der Betriebsabläufe bleibt ein wichtiges Ziel, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden und eine reibungslose Nutzung aller Plattformumgebungen sicherzustellen.
Und nicht zuletzt werden alle Komponenten und sicherheitsrelevanten Abläufe laufend überprüft, auditiert und allfällige Optimierungen umgehend umgesetzt.